Klare Kante gegen rechts

Angesichts hoher Umfragewerte für die AfD muss die Politik gegensteuern

22.04.2024 | Jörg Köhlinger, Bezirksleiter Mitte der IG Metall, fordert die demokratischen Parteien und die Arbeitgeberauf, sich für demokratische Prinzipien in der Gesellschaft und im Betrieb einzusetzen.

»Rechtsextreme gefährden die demokratische Kultur und den wirtschaftlichen Erfolg. Sollten sie in Thüringen zur stärksten Kraft nach der Landtagswahl werden, wird das massive Folgen für die Demokratie in diesem Bundesland haben.«

Weshalb bekommt die AfD Zulauf? Bernd Lösche, Betriebsratsvorsitzender bei Opel in Eisenach, sieht zwei Gründe: Zuwanderung und die fehlende Rücksicht auf die Interessen der Facharbeiter in der Automobilindustrie. »Zuwanderung erzeugt Angst und die Klimapolitik wird als Bevormundung empfunden. Klimagesetze würden schnell verabschiedet, das Klimageld als Kompensationen für die Preissteigerungen dagegen würde verschoben oder gar gestrichen.

Der Jenaer Soziologe Klaus Dörre nennt einen weiteren Grund für den Zuspruch zu rechten Parteien: die erfahrene räumliche und soziale Abwertung. »Andere ziehen scheinbar an einem vorbei: Geflüchtete, Menschen, die wirtschaftliche Vorteile suchen, Menschen, die vermeintlich integrations- und leistungsunwillig sind, die aus islamischen Ländern kommen«. Viele dieser Enttäuschten hätten vorher andere Parteien gewählt, es habe sich aber nichts geändert. Aus Protestwählern habe sich eine verfestigte Stammwählerschaft gebildet.

Die Erfahrung, abgekoppelt zu sein reicht zurück bis in die Jahre nach der Wende. Industriebetriebe in Thüringen machten reihenweise dicht, die Infrastruktur auf dem Land (Gesundheitsdienstleistungen, ÖPNV, Einzelhandel) wurde teilweise drastisch abgebaut. Kurz: das Alltagsleben starb. Die Menschen, die lange dort lebten, hatten das Gefühl, dass für sie kein Geld da sei, während Flüchtlinge alles bekämen. Dörre: »Viele Menschen in Ostdeutschland sehen die Gleichbehandlung verletzt und retten sich ins völkische Denken. Diese Einstellung wird bedient durch die AfD und die radikale Rechte.«

 

Abwertung industrieller Arbeit spielt Rechten in die Hände

Dabei nutzen sie ein bekanntes Muster: Sie erwecken den Eindruck, dass es nicht mehr für alle reiche. »Ungleichheit scheint nicht mehr korrigierbar«, sagt Dörre. Die Gesellschaft ist, vor allem in Ostdeutschland, gespalten mit einer scharfen Trennung zwischen oben und unten – allerdings ohne Aufstiegschancen, wie es sie in den 60er und 70er Jahren gegeben hat. Auch die Abwertung industrieller Tätigkeit spielt der AfD in die Hände.

Dörre bringt es auf den Punkt: »Arbeiter ist, wer das machen muss. Wer kann, geht ins Büro oder studiert.« Die Lebenswelt von Arbeitern ist in gesellschaftlichen Debatten nahezu unsichtbar geworden. In den Betrieben wird Rassismus selten offen gezeigt. Wer solche Positionen vertritt, riskiert seinen Arbeitsplatz, sagt Opel-Betriebsrat Lösche. Unterschwellig werde die AfD von manchen als neue Arbeitnehmerpartei gesehen. Die Zustimmung sei oft emotional, in einem aggressiven Klima würden rationale Argumente nur schwer durchdringen. In den Betrieben, so die Forderung von Dörre, müsse über Migration anders diskutiert werden. »Zuwanderung kann nicht alle Probleme lösen, aber ohne Zuwanderung sind viele Probleme gar nicht lösbar.«

 

Weniger Vorurteile bei täglichem Kontakt mit Migranten

Je größer ein Betrieb ist und je besser die Arbeit der Betriebsräte funktioniert, umso schwerer hat es das populistische Gedankengut, sagt Lösche. Umgekehrt gilt: Je kleiner ein Betrieb und je schwächer der Einfluss von Gewerkschaften und Betriebsräten ist, umso stärker werden AfD-Positionen von den Beschäftigten vertreten. Lösche beobachtet aber auch: »Wer mit Migranten täglich zusammenarbeitet, hat weniger Vorurteile«. Für den Gewerkschafter ist es unverständlich, dass die AfD bei abhängig Beschäftigen Zuspruch findet. Diese Partei betreibe Klientelpolitik für Reiche, z. B. mit der Forderung nach Steuererleichterungen für Großverdiener.

Um in Betrieben die Verbreitung völkischer und populistischer Gedanken zu verhindern, komme es darauf an, klare Kante gegen rechts zu zeigen, ohne die Beschäftigten zu verlieren, so Dörre. Betriebsräte und Vertrauensleute sollten deutlich machen, dass die AfD nicht die Interessen von abhängig Beschäftigten vertrete. Von Demokratie im Betrieb und von Mitbestimmung halte diese Partei wenig, schon gar nichts von Mitbestimmung bei Investitionen. Die Tarifhoheit von Gewerkschaften lehne sie ab, stattdessen wolle sie, dass Betriebsräte und Geschäftsleitungen über Entgelt und Arbeitszeit verhandeln.

 

Schuldenbremse ist ein Hemmschuh für die Transformation

Angesichts des Erfolgs der AfD bei den vergangenen Wahlen und aktueller Umfragewerte müsse in der Wirtschaftspolitik umgesteuert werden, fordert der Soziologe. Die Schuldenbremse müsse aufgehoben werden, sie sei ein Hemmschuh für die soziale und digitale Transformation. Dörre: »Die Sparpolitik verschärft die gesellschaftliche Spaltung und treibt rechten Parteien Wähler zu.«

Dörre warnt auch davor, das Streikrecht einzuschränken, wie es in der Debatte über den jüngsten Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn verlangt wurde. »Wer die Hand an das Streikrecht legt, sendet ein verheerendes Signal aus, es wäre der Dolchstoß für demokratische Bündnisse.«

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